Erhöht eine pränatale BPA-Exposition das Risiko für Autismus?

Perth – Werden Schwangere vermehrt Bisphenol A (BPA) ausgesetzt, könnte das die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass männliche Nachkommen eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) entwickeln. Darauf deutet eine neue Studie hin, die Forschende um Christos Symeonides, Minderoo Foundation, Perth, im Fachjournal Nature Communications veröffentlichten (DOI: 10.1038/s41467-024-48897-8).
BPA findet sich häufig in Verpackungsmaterialien wie Plastik. Die Substanz wurde bereits zuvor mit neurologischen Verhaltensstörungen bei Kindern in Verbindung gebracht, wenn ihre Mütter vor der Geburt BPA ausgesetzt waren.
Das bestätigt nun auch das Team um Symeonides und geht noch einen Schritt weiter. Die Forschenden untersuchten die Geburtenkohorte der Barwon Infant Study, die 1.074 Mutter-Kind-Paare umfasste.
Die pränatalen BPA-Konzentrationen wurden in Urinproben der Schwangeren gemessen. Die Forschenden analysierten Kinder mit niedrigeren Konzentrationen des Aromatase-Enzyms, das Testosteron in Neuroöstrogen umwandelt.
Risiko durch BPA offenbar erhöht
Höhere Konzentrationen von maternalen, pränatalen BPA waren mit vermehrten ASS-Symptomen bei Jungen assoziiert. Der Zusammenhang zwischen BPA und Autismus war besonders deutlich im oberen Fünftel der Jungen, die vulnerabel gegenüber den endokrin-disruptiven Eigenschaften der Substanz waren – das heißt diejenigen mit niedrigeren Aromatase-Konzentrationen.
In dieser Gruppe hatten Jungen, deren Mütter in der späten Schwangerschaft erhöhte BPA-Konzentrationen im Urin aufwiesen, eine 3,5-fach höhere Wahrscheinlichkeit, bis zum Alter von 2 Jahren Autismus-Symptome zu entwickeln.
Die Wahrscheinlichkeit, bis zum Alter von 11 Jahren eine bestätigte Autismusdiagnose zu erhalten, war 6-fach höher als bei denjenigen, deren Mütter niedrigere BPA-Konzentrationen während der Schwangerschaft aufwiesen.
Sowohl in der Kohorte der Barwon Infant Study als auch in einer weiteren fanden sich Hinweise, dass höhere BPA-Konzentrationen mit einer epigenetischen Suppression des Aromatase-Enzyms einhergingen.
Die Forschenden untersuchten dies weiter in Laborversuchen bei Mäusen. Auch hier unterdrückte BPA das Aromatase-Enzym und war darüber hinaus mit anatomischen, neurologischen und verhaltensbiologischen Veränderungen bei männlichen Tieren assoziiert.
Erhielten die Mäuse 10-Hydroxy-2-decensäure, milderte das diese Prozesse ab und kehrte die für die neurologische Entwicklung nachteilige Genexpression um.
„Diese neue Studie hat eine Reihe sorgfältiger Experimente durchgeführt, um zu untersuchen, ob die Exposition gegenüber BPA die Aromatase-Aktivität modulieren könnte, was langfristige Verhaltensänderungen verursachen könnte“, wird Ian Musgrave, University of Adelaide, im australischen Science Media Center zitiert.
„Tiere, deren Gene für das Aromatase-Enzym deletiert wurden, zeigten sich wiederholende Verhaltensweisen, was darauf hindeutet, dass eine Veränderung der Aromatase-Spiegel einige autismusähnliche Verhaltensweisen induzieren könnte.“
Der Experte weist aber darauf hin, dass die Mäuse BPA subkutan erhalten hatten und dass die Dosen höher seien als diejenigen, die Menschen normalerweise ausgesetzt sind. Außerdem hätten die meisten beobachteten Veränderungen zwischen behandelten und unbehandelten Tieren überlappt. Trotz der statistischen Signifikant könne man daher nicht sagen, ob die Veränderungen eine biologische Relevanz haben.
Oliver Jones, RMIT Universität Melbourne: „Obwohl dies eine interessante Arbeit ist, kann keine einzelne Studie, egal wie gut durchgeführt, als Beweis gewertet werden. Weitere Untersuchungen müssten ähnliche Ergebnisse zeigen. BPA ist eine der am besten untersuchten Chemikalien weltweit, mit Tausenden von Publikationen, und obwohl es immer noch ein Thema vieler Debatten ist, hat niemand Auswirkungen dieser Verbindung auf den Expositionsniveaus, denen wir ausgesetzt sind, zeigen können.“
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